Agattanz

In den Jahren 1933 bis 1935 mehrere Male bei Hochzeiten in Thiersee gesehen. Einzelheiten wurden durch Josef Juffinger und Johann Gruber - Schneiderhäusl in Hinter - Thiersee und Georg Kühlechner in Vorder - Thiersee überliefert.

4 Paar-Tanz.

Aufstellung:
Die Paare stellen sich außerhalb des Tanzraumes in einer Reihe nebeneinander auf, die Tänzerin links neben ihrem Tänzer; das 1. Paar steht am rechten Flügel. Die Hände der Nachbarn werden gefasst.

Schritt: Kurze, federnde Laufschritte, je Viertel 1 Schritt.

Eingang ( Weise 1 ):
Die Reihe läuft auf den Tanzplatz und bildet dort in Tanzrichtung / gU einen Kreis, indem der 1. Tänzer die letzte Tänzerin fasst. Die Musik hat solang zu spielen, bis der Kreis wenigstens einmal herumgelaufen ist.

Zwischenfigur ( eigene Weise 1):

Takt

1-2
Die Tanzenden bleiben stehen, wenden sich zur Kreismitte. Sie lösen die Fassung, stützen die Hände in die Hüften und verbeugen sich gegen die Kreismitte.

3-4
Tänzer und Tänzerin wenden sich zueinander und verbeugen sich.

5-8
"Händ werfn" ( = halbe Kette ): Die Tänzer bewegen sich gegen Tanzrichtung / iU, die Tänzerinnen in Tanzrichtung / gU. Sie weichen dabei dem eigenen Partner links rechtsschultrig ) aus, indem sie ihm kurz die rechte Hand geben, dann dem nächsten Entgegenkommenden rechts linksschultrig ) ausweichen und kurz die linke Hand geben, und so weiter im Wechsel.

W1-2
In den entgegenkommenden eigenen Partner hängt man sich mit dem rechten Arm ein und vollführt eine halbe Drehung rechts / iU.

W3-6
Man tanzt in gleicher Weise wie vorher eine halbe Kette in entgegengesetzter Richtung: Tänzer in Tanzrichtung / gU, Tänzerinnen gegen Tanzrichtung / iU.

W7-8
Am Ausgangsplatz angelangt, wenden sich die Tanzenden wieder zur Kreismitte, stützen die Hände in die Hüften und verneigen sich gegen die Kreismitte.

1. Figur, "Knopf" um die Tänzerin ( Weise 2 ):

Die Tanzenden fassen einander zur Kette, ausgenommen 1. Tänzer- und 1. Tänzerin. Die 1. Tänzerin stellt sich in die Kreismitte, Blick zu den Ehrengästen, während der 1. Tänzer die Kette gegen Tanzrichtung / iU um die 1. Tänzerin aufwickelt. Die 1. Tänzerin löst die Figur auf, indem sie zwischen dem 1. Tänzer und der 4. Tänzerin ( die möglichst vor den Ehrengästen stehen sollen ) durchschlüpft und die Kette hinter sich im Kreis in Tanzrichtung / gU nachzieht.

Achtung, Musik! Die Musik soll zur 1. und 2. Figur eine "endlose" Melodie spielen, d.h. die Takte 1-8

der 2. Weise so oft wiederholen, bis die 2. Figur beendet ist, dann erst die Takte 9-16 anfügen.

2. Figur, "Knopf" um den Tänzer ( Weise 2 ):

Der 1. Tänzer stellt sich in die Kreismitte, während die 1. Tänzerin die Kette in Tanzrichtung / gU um ihn aufwickelt. Der 1. Tänzer löst die Figur auf, indem er zwischen der 1. Tänzerin und dem 2. Tänzer ( die möglichst vor den Ehrengästen stehen ) durchschlüpft und die Kette hinter sich im Kreis gegen Tanzrichtung / iU nachzieht.

3. Figur, "Stern"' ( Weise 2 ):

Die Tanzenden wenden sich nach links zum Flankenkreis und fassen mit der rechten Hand die Armbeuge des rechten Armes des Vordermannes. Der Stern bewegt sich gegen Tanzrichtung / iU. Bei Takt 9 wird bei gleichzeitiger halber Drehung rechts, der rechtshändige Stern gelöst und die linke Hand auf die Armbeuge des linken Armes des Vordermannes gelegt. Der Stern bewegt sich in Tanzrichtung / gU.

Zwischenfigur - wie vorher.

4. Figur, "Erste Dreherfigur " ( Weise 3 ):

Aufstellung im Stirnkreis, Gesicht zur Mitte.
Hände im Hüftstütz.
(Takt 1-2: ) Das 1. Paar tanzt in den Kreis, wendet sich zueinander, (Takt 3-8:) legt die rechten Hände in Kopfhöhe mit den Handflächen aneinander und tanzt rechts / iU herum.
(Takt 9-14:) Dann halbe Drehung rechts, Handwechsel und Umtanzen links/ gU.
(Takt 15-16:) Fassung lösen und rückwärts auf den Ausgangsplatz zurücktanzen.

Die anderen Paare machen kleine Nachstellschritte, je Takt einen und abwechselnd links und rechts seitwärts.

5. Figur, "Zweite Dreherfigur" ( Weise 3 ):

Aufstellung wie in der 4. Figur.
( Takt 1-2:) Das 2. Paar tanzt in den Kreis und wendet sich dort zur Aufstellung gegeneinander, rechte Schulter an rechter Schulter. Er fasst vor seiner Brust mit seiner Linken ihre seitgestreckte Rechte; mit seiner Rechten greift er über ihren rechten Arm und fasst hinter ihrem Rücken ihre nach hinten gebeugte Linke. Herumtanzen rechts / iU zu den Takten 3-8. (Takt 9-14:) Dann macht der Tänzer eine halbe Drehung rechts / iU, die Tänzerin aber links / gU zur gegengleichen Stellung. Herumtanzen links gU.
( Takt 15-16:) Das Paar löst die Fassung und tanzt rückwärts auf den Ausgangsplatz zurück. Die anderen Paare inzwischen Nachstellschritte links und rechts seitwärts wie bei der 4. Figur.

6. Figur, "Dritte Dreherfigur" Weise 3):

Aufstellung wie in der 4. Figur.
( Takt 1-2: ) Das 3. Paar tanzt in den Kreis und wendet sich dort zueinander; Zweihandfassung.
Takt (3-8:) Der Tänzer dreht sich einige Male nach rechts / iU, die Tänzerin gleichzeitig nach links / gU, wobei die gefassten Hände über Kopfhöhe geschwungen werden.
( Takt 9-14: ) Dann erfolgen die Drehungen in der anderen Richtung - Tänzer nach links / gU, Tänzerin nach rechts / iU. Takt ( 15-16:) Das Paar löst die Fassung und tanzt rückwärts auf den Ausgangsplatz.

Die anderen Paare machen inzwischen Nachstellschritte links und rechts seitwärts wie bei der 4. Figur.

7. Figur, "Vierte Dreherfigur" ( Weise 3):

Aufstellung wie in der 4. Figur.
( Takt 1-2: ) Das 4. Paar tanzt in den Kreis und wendet sich dort zur Aufstellung gegeneinander, rechte Schulter an rechter Schulter.
( Takt 3-8: ) Er fasst vor seiner Brust mit seiner Linken ihre seitwärts gestreckte Rechte; mit seiner Rechten fasst er ihre aufwärts gebeugte Linke und legt die gefassten Hände auf ihren Nacken. Herumtanzen rechts / iU.
( Takt 9-14:) Dann vollführen beide eine halbe Drehung rechts / iU und heben die Hände über ihre Köpfe zur gegengleichen Stellung. Herumtanzen links / gU.
(Takt 15-16:) Das Paar löst die Fassung und tanzt rückwärts auf den Ausgangsplatz zurück.

Die anderen Paare machen inzwischen Nachstellschritte links und rechts seitwärts wie in der 4. Figur.

Zwischenfigur - wie vorher.

8. Figur, "Rad" ( Weise 4):

Aufstellung im Stirnkreis, Hände der Nachbarn gefasst.
Die Tänzer springen mit den Füßen gegen die Kreismitte und werden, bei gestrecktem Rücken, von den Tänzerinnen erst gegen Tanzrichtung / iU ( Takt 1-8 ), dann in Tanzrichtung / gU ( Takt 9-16 )herumgetragen. Am Ende springen die Tänzer wieder zum Stand.

9. Figur, "Doppelkreis" ( Weise 4):

Die Tänzer bilden durch Fassen der gestreckten Arme einen äußeren Kreis, der sich gegen Tanzrichtung / iU, die Tänzerinnen durch Fassen der angebeugten Arme einen inneren Kreis, der sich in Tanzrichtung / gU bewegt ( Takt 1-8 ). Dann bewegen sich beide Kreise in entgegengesetzter Richtung ( Takt 9-16 ).

Es ist darauf zu achten, dass am Ende die Tänzerin zur Linken ihres Tänzers steht.

10. Figur, "Verschlungener Kreis" ( Weise 4):

Die Tänzerinnen heben ihre gefassten Hände über die Köpfe der Tänzer und legen sie auf deren Nacken. Herumtanzen gegen Tanzrichtung / iU ( Takt 1-8 ) dann in Tanzrichtung / gU ( Takt 9-16 ).

11. Figur, "Aufsitzen" ( Weise 4):

Die Tänzerinnen setzen sich auf die gefassten Hände der Tänzer und werden von ihnen erst gegen Tanzrichtung / iU ( Takt 1-8 ), dann in Tanzrichtung / gU ( Takt 9-16 ) herumgetragen. Die Tänzerinnen halten sich mit den gefassten und auf den Nacken der Tänzer liegenden Händen fest.

Zwischenfigur - wie vorher.

12. Figur, "Umischutzen" ( Weise 5):

Aufstellung im Stirnkreis, Hände der Nachbarn gefasst.
Der 1. Tänzer tanzt auf das 3. Paar zu und macht ohne selbst die Fassung zu lösen über ihre gefassten Hände einen Überschlag. Dann hebt er seine Arme hoch und durch die so gebildeten Tore zieht die 3. Tänzerin den Kreis gegen Tanzrichtung / iU durch. Als letzter dreht sich der 1. Tänzer nach links aus und stellt den Kreis wieder her.

Der Überschlag soll in die Richtung auf die Ehrengäste erfolgen, dazu muss unter Umständen der Kreis am Anfang ein wenig gegen Tanzrichtung / iU herumtanzen.

Achtung, Musik! Zur 12. bis einschließlich 14. Figur soll eine "endlose" Melodie gespielt werden. Daher haben die Musikanten die Takte 1-8 der Weise 5 so oft als notwendig zu wiederholen; erst am Ende der 14. Figur werden die Takte 9-16 angefügt.

13. Figur, "Achter" ( Weise 5 ):

Das 1. Paar tanzt unter den erhobenen Armen des 3. Paares durch, hebt dann die inneren Hände zu einem zweiten Tor, wendet sich auseinander um und zieht die übrigen Paare durch die Tore wieder zum großen Kreis. Beide Tore bewegen sich dabei gegen die durchschlüpfenden Paare. Das Durchziehen soll in die Richtung auf die Ehrengäste erfolgen, dazu muss unter Umständen der Kreis am Anfang der Figur ein wenig gegen Tanzrichtung / iU herumtanzen.

14. Figur, "Verkehrter Kreis" ( Weise 5 ):

Der 1. Tänzer hebt den rechten Arm und führt mit einer Dreivierteldrehung rechts den Kreis durch das entstandene Tor zum großen Kreis, Gesicht nach außen, der sich gegen Tanzrichtung / iU bewegt. Nach einmaligen Herumtanzen hebt der 1. Tänzer nun den linken Arm und führt, nach einer Dreivierteldrehung rechts, rücklings gehend den Kreis durch das entstandene Tor zum Ausgangskreis, Gesicht nach innen, der sich gegen Tanzrichtung / iU bewegt.

Zwischenfigur - wie vorher.

15. Figur, "Brücke" ( Weise 1 ):

Die Tanzenden bilden durch Handfassen einen Kreis, der sich wenigstens einmal in Tanzrichtung / gU bewegt. An jenen Punkt, der dem Abgangspunkt gegenüber liegt, löst sich das 1. Paar aus dem Kreis, bildet durch Zweihandfassung ein Tor in Richtung Kreismitte. Der 2. Tänzer führt die Restkette durch das Tor; das 2. Paar löst sich nun ebenfalls ab und reiht sich, mit Zweihandfassung ein Tor bildend, hinter dem 1. Paar an.
In gleicher Weise tanzen die anderen Paare durch die Tore und reihen
sich hinten an.
Auflösung a: Stehen alle 4 Paare nebeneinander, wird die Zweihandfassung gelöst. Das 1. Paar tritt zueinander und tanzt mit gewöhnlicher Fassung Walzer durch die Gasse der anderen Paare und verlässt so den Tanzraum. Die anderen Paare folgen nacheinander in gleicher Weise.

Auflösung b: Das 1. Paar schließt sich dem letzten Paar an, geht durch die Tore durch und stellt sich hinter dem letzten Paar auf. Ebenso folgen die anderen Paare, indem sie die "Brücke" an einem Ende abbrechen und am anderen Ende wieder aufbauen. Auf diese Weise wird der Tanzraum verlassen.

Der Agattanz kann auch von 8 Paaren ausgeführt werden. Der Tanzablauf ändert sich dann wie folgt: Zwischenfigur: Die Kette wird in üblicher Weise nur in einer Richtung bis zur Begegnung mit dem eigenen Partner getanzt. Das Paar verbeugt sich, Hände in die Hüften gestützt, zueinander (Takt W 5-6:), dann wenden sich alle zur Kreismitte und verbeugen sich gegen diese (Takt W 7-8:).

4. Figur, "Erste Dreherfigur", wird vom 1. und 5. Paar gleichzeitig ausgeführt-.

5. Figur, "Zweite Dreherfigur.", wird vorn 2. und 6. Paar gleichzeitig ausgeführt.

6. Figur, "Dritte Dreherfigur", wird vom 3. und 7. Paar gleichzeitig ausgeführt.

7. Figur, "Vierte Dreherfigur", wird vom 4. und 8. Paar gleichzeitig ausgeführt.

Kreis gegen Tanzrichtung .

12. Figur, "Umischutzen": Der 1. Tänzer tanzt auf das 5. Paar,. . . . . zu die 5. Tänzerin zieht den Kreis gegen Tanzrichtung . . . . .

13. Figur, "Achter": Das 1. Paar tanzt unter den erhobenen Armen des 5. Paares durch ......

Der Agattanz wurde in Thiersee in den Dreißigerjahren am Nachmittag des Hochzeitstages zu Ehren des Brautpaares getanzt. Der vorführenden Gruppe sollten nach Möglichkeit Jahrgangskameraden der Brautleute angehören. Als Lehrmeister wirkten die oben angeführten Gewährsleute.

Wohl kannte man nicht mehr die symbolische Bedeutung der Figuren, bestand aber auf eine genaue, der Überlieferung entsprechenden Ausführung: Innerhalb dieses Rahmens wurde der Agattanz sehr frei ausgeführt; die Zahl und die Dauer der Figuren wechselten ersprechend der sozialen Stellung und der Beliebtheit der Brautleute von einem zum anderen Mal.

Bei der vollständigen Ausführung waren nach dem "Stern" noch zwei Figuren eingefügt -das "Ohrzipfelziehen" ( eine alte Zeugengeste und das "Fingerwerfen" ( eine Fruchtbarkeitsgeste ) -, deren Sinn nicht mehr verstanden wurde und die Heiterkeit der Zuseher entfachte. Da dies im Widerspruch zu dem Ernst der Zeremonie stand, hatte man später auf diese Figuren verzichtet. Manche dazu geeignete Figuren wurden von jedem Paar nacheinander ausgeführt, also erst vom 1. Paar, dann vom 2. Paar usw. Auch wurde zwischen jeder Figur die Zwischenfigur getanzt. So dauerte der Agattanz gelegentlich länger als eine Stunde.

Vor dem 1. Weltkrieg wurde der Agattanz, nur von maskierten Burschen, auch als Fasnachtsbrauch aufgeführt, was ebenfalls auf den Symbolgehalt der Figuren hinweist.

Während die Figuren einzeln oder in anderem Zusammenhang weit verbreitet sind, ist eine ähnliche Tanzform, als Achteltanz, nur aus dem salzburgischen Tennengau bekannt.

Die Figuren, aus welchen sich der Agattanz zusammensetzt, stammen teils aus den Kontratänzen der bürgerlichen Welt, teils sind es symbolhafte Bewegungen aus einer älteren Schichte der Überlieferung. Der Name, auf der 2. Silbe betont, dürfte auf das französische .a quatre'' ( zu 4 Paaren ) zurückgehen. Wenn er sich auf die hl. Agatha bezöge, wozu übrigens keine Voraussetzung besteht, müsste er der Mundart entsprechend auf der 1. Silbe betont werden.

Quelle: Karl Horak, Tiroler Volkstanzbuch, Musikverlag Helbling, Innsbruck, 1974.

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